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Warum wir so ungern warten.

Vor einigen Jahren gab es im Flughafen von Houston, Texas, auffällig viele Beschwerden über die langen Wartezeiten am Gepäckband. Sofort wurden entsprechende Maßnahmen ergriffen und mehr Mitarbeiter für die Gepäckabfertigung abgestellt und die Wartezeit auf acht Minuten gesenkt, was innerhalb der vergleichbaren Standards anderer Flughäfen lag. Doch auf die Anzahl der Beschwerden hatte das keinen Einfluss. Als man die genauen Zeiten untersuchte, fand man Folgendes heraus. Die Passagiere brauchten eine Minute, um von ihrem Flugsteig zum Gepäckband zu kommen und dort mussten sie im Schnitt sieben Minuten warten. Daraufhin machte man ein Experiment. Anstatt noch mehr die Wartezeit am Gepäckband zu verringern, verlegte man den Flugsteig, so dass die Passagiere jetzt sechs mal mehr Zeit brauchten, um zu ihrem Gepäckband zu gelangen. Die Beschwerden hörten fast vollständig auf. Wann warten wir? Oft warten wir, wenn es um ein begehrtes Gut geht. Der Einlass in den angesagtesten Club der Stadt. Eine Karte für die Bayreuther Festspiele. Das neue iPhone. Doch manchmal ist es auch ein Zeichen schlechter Organisation. Wer erinnert sich nicht an Amtsbesuche vor zehn Jahren. Ein Schalter, dreißig Leute davor und kurz bevor man dran kam – Mittagspause! Wenn Mangel an lebenswichtigen Gütern herrscht, ergeben sich auch lange Warteschlangen. Im Fernsehen sieht man Menschen in Afrika, die für sauberes Wasser anstehen. In der ehemaligen DDR gehörte langes Warten auf bestimmte Nahrungsmittel, ein Telefon oder ein Auto zum sozialistischen Alltag. Warum ist Warten oft unangenehm? Wenn sich jemand beim Meeting um ein paar Minuten verspätet, wird das oft als respektlos und unangenehm empfunden. Auch wenn hinter dem Zuspätkommen meist ganz andere Gründe stecken. Doch beim Warten haben wir meist das Gefühl, dass wir kostbare Lebenszeit sinnlos verschwenden. Oder vielmehr, dass ein anderer unsere Lebenszeit verschwendet. Wir sind ohnmächtig. Herumzuwüten bringt auch nicht viel. Wir sind zu unproduktivem Nichtstun verdammt. Das ist die Idee, auf die die Flughafen-Manager von Houston kamen: Wer seine Zeit sinnvoll verbringt, erlebt die Wartezeit nicht mehr so unangenehm. Man ist abgelenkt bzw. hat das Gefühl etwas Notwendiges oder Sinnvolles zu tun. Sieben Minuten zum Gepäckband zu laufen erscheint einem sinnvoller als dieselbe Zeitspanne am Band zu stehen und zu warten. So tickt der Mensch, jedenfalls im kapitalistischen Westen, wo Zeit ja auch Geld sein soll. Die „vertane“ Zeit wird produktiv genutzt anstatt sinnlos abgewartet Bei Warteschlangen achten wir mehr darauf, wie lange eine Schlange ist als wie schnell sie sich fortbewegt. Das fanden die Verhaltensforscher Ziv Carmon und Daniel Kahnemann heraus. Dies gilt auch dann, wenn die Wartezeit in beiden Schlangen identisch ist. Diese Erkenntnis macht man sich in den Vergnügungsparks von Disney zunutze, indem man die Warteschlangen in Serpentinen oder um Gebäude herumführt, so dass man nicht direkt sehen kann, wie lange die Schlange wirklich ist. Was erleichtert uns das Warten? Wer zum Tode verurteilt ist, regt sich nicht auf, wenn der Henker im Stau steckt. Denn Warten an sich bedeutet ja nichts. Es ist unsere Interpretation dieser Zeit, die das Erleben angenehm oder unangenehm macht. Leichter fällt es uns zu warten: Wenn wir auf etwas Wertvolles warten. Kaum jemand würde wegen eines neuen Telefons vor dem Laden der Telekom einen Tag und eine Nacht warten. Vor dem Apple-Store tun das manche schon eher – in der Hoffnung, das neue iPhone zu ergattern. Wenn wir beschäftigt sind. Wer an der Supermarktkasse einen Bekannten trifft und sich nett unterhält, dem kommt die Wartezeit viel kürzer vor. Man macht ja etwas Sinnvolles. Aus demselben Grund wurden wohl auch bei IKEA und anderen Märkten Selbstscanner-Kassen eingerichtet. Durch das Gefummel mit dem Barcode-Leser spart man vermutlich kaum Zeit als wenn man sich in eine Schlange einreihte. Aber man ist sinnvoll beschäftigt und hat das Gefühl der Kontrolle. Wenn wir den Grund kennen. Habe ich etwas abends gekocht und meine Frau verspätet sich, hilft es mir, wenn sie anruft und ich ungefähr weiß, wann sie kommt. Deshalb gibt es bei der Bahn ja auch seit geraumer Zeit Begründungen für eine Verspätung. Wenn wir ausgeruht und entspannt sind. Umgekehrt gilt, wer hungrig, müde oder gestresst ist, wird beim Warten schneller ungeduldig. Und je nach Temperament schreit er nach der Öffnung einer weiteren Kasse oder fällt in den resignativen Opfermodus. Wenn es gerecht zugeht. Warten wir in einer Schlange und haben den Eindruck, dass es in der anderen Schlange schneller vorwärts geht, kann das stressen. Deshalb gibt es manchmal nur eine Schlange, von der aus die Wartenden auf die einzelnen Schalter vorrücken. Oder man zieht am Automaten eine Nummer. source: persoenlichkeits-blog.de
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