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Berlin

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Unpünktlichkeit ist eine Frage des Respekts

"Sorry, I'm late. Ich bin auf dem Weg und dann gleich da!" Ich ziehe meine Schuhe an, meine Jacke. Suche noch schnell Handy, Geldbeutel und Schlüssel zusammen und gehe dann aus dem Haus. Zu meiner Verabredung. Die eigentlich schon vor zehn Minuten war. Der Weg ist zwar kurz, wir sind bei mir im Kiez verabredet, trotzdem bin ich knappe 25 Minuten zu spät dran. Als ich ankomme und mich kurz noch mal entschuldige, hat meine Freundin schon ihren ersten Cappuccino alleine getrunken. Meine Entschuldigung? Reine Formsache. Natürlich verzeiht sie mir. Natürlich wird das nicht an die große Glocke gehängt, die paar Minuten, ich hab' mich eben verzettelt, kann ja jedem mal passieren. Und das stimmt auch. Das Problem ist nur, dass mir das häufig passiert. Eigentlich immer. Und bis vor einem halben Jahr habe ich mir auch keine weiteren Gedanken darum gemacht, was das für meine Verabredung bedeutet, dass ich immer zu spät bin. Bis ich ein ziemlich gutes Gespräch mit einer Freundin hatte, die selbstredend auch schon häufiger in den Ungenuss meiner Unpünktlichkeit gekommen ist. Sie ist immer pünktlich, nie zu spät dran. Und ziemlich genervt davon, immer warten zu müssen. Unpünktlichkeit ist nicht nur unhöflich, sondern auch respektlos "Weißt du, es geht ja nicht nur darum, dass ich alleine im Café auf dich warte", erklärt sie mir "es fühlt sich vor allem so an, als würdest du meine Zeit einfach nicht richtig wertschätzen." Je mehr ich über diesen Satz nachdenke, desto peinlicher ist es mir, dass ich ständig zu spät bin. Meinen Freund*innen das Gefühl zu geben, dass mir ihre Zeit nichts wert ist? Mir könnte kaum etwas ferner liegen. Aber was für ein Gefühl sollte es sonst auslösen? Ich beanspruche Zeit, die ich gar nicht nutze und zwinge meine Verabredung damit, ihre Zeit zu verschwenden. Nur weil ich noch kurz die Wäsche aufhängen oder mit meinen Mitbewohner*innen quatschen wollte? Es gäbe sicher zig Dinge, die mein Gegenüber in der Zwischenzeit lieber getan hätte, als auf mich zu warten. Denn warten ist einfach nur ätzend. Man geht im Kopf durch, welche Dinge man in der Zeit hätte erledigen können. Wenn ich daran denke, wie genervt alle Menschen davon sind, wenn der ICE auch nur fünf Minuten Verspätung hat. Dann gehen tiefe Seufzer, verächtliches Schnauben und verärgertes Raunen durch die Reihen der Wartenden. "Man, das nervt echt, dass die scheiß Bahn immer zu spät ist", zählt dann noch zu den netteren Sätzen, die man am Bahnsteig hört. Aber wie seltsam wäre es, wenn meine Freund*innen plötzlich sagen "Man ey, das nervt echt, dass die scheiß Wiebke immer zu spät ist"? Ich habe das Gefühl, dass wir beim Zuspätkommen mit zweierlei Maß messen. Wenn die Bahn auch nur fünf Minuten Verspätung hat, sind alle mega genervt. Wenn wir selbst unsere Verabredung aber eine halbe Stunde allein im Café oder in der Bar warten lassen, sollen sich alle mal etwas entspannen? Wenn die Bahn auch nur fünf Minuten Verspätung hat, sind alle mega genervt. Wenn wir selbst unsere Verabredung aber eine halbe Stunde allein im Café oder in der Bar warten lassen, sollen sich alle mal etwas entspannen? Wir sollten lernen, die Zeit unserer Mitmenschen wertzuschätzen Ich glaube, wir sollten nicht nur unsere Zeit als wertvoll erachten, sondern auch respektvoll mit der Zeit der oder des anderen umgehen. Und ich rede hier nicht vom Zuspätkommen, weil einem die S-Bahn vor der Nase weggefahren ist, oder man etwas wirklich Dringendes erledigen muss. Es gibt Dinge, die haben Priorität. Und dafür hat auch jede*r Verständnis. Wäscheaufhängen, statt pünktlich im Café zu sitzen, gehört aber meiner Meinung nach nicht (mehr) dazu. Das Gespräch mit meiner Freundin ist jetzt ein gutes halbes Jahr her. Und zu sagen, dass ich seitdem immer pünktlich bin, wäre wohl eine dreiste Lüge. Aber ich bin mir inzwischen darüber bewusst, was es für andere heißt, auf mich warten zu müssen, mir ist klar, dass ich hier wertvolle Zeit beanspruche. Und vielleicht sollten wir (Zuspätkommenden) uns dessen bewusst werden und endlich wieder pünktlicher sein. So haben wir dann ja letztlich auch mehr Zeit mit unseren Liebsten und das wollen wir ja alle, oder?
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