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Darmstadt

🕘 Wörter: 955 • Lesedauer: ca. 3 Minuten

Hiding Faces – Philosophisch-künstlerische Intervention

»Hiding Faces« ist eine philosophisch-künstlerische Intervention und Teil einer Forschungskooperation der Philosophin Maria Kronfeldner und des Fotografen Lukas Einsele. Im Atelierhaus Ludwig-Engel-Weg 1 (LEW1), Darmstadt, haben Besucher*innen vom 23. Juni 2020 bis 08. Juli 2020 im Rahmen eines Open Studios die Möglichkeit sowohl online als auch vor Ort teilzunehmen.

Das Projekt basiert auf dem gemeinsamen Interesse Kronfeldners und Einseles an der Wahrnehmung des menschlichen Gesichts und den kulturellen, psychologischen und ethischen Konnotationen, die mit dem Zeigen und Verschleiern, das heißt dem vollständigen bzw. partiellen Verbergen unserer Gesichtszüge verknüpft sind.

Vom 23. Juni bis 08. Juli 2020 dokumentiert Kronfeldner den Prozess ihrer Recherche im Atelierhaus Ludwig-Engel-Weg 1 (LEW1) auf der Rosenhöhe in Darmstadt schrittweise in einem lebendigen Archiv aus Gedankenzetteln, Video- und Tonaufnahmen. In Interaktion mit Lukas Einsele entsteht dabei eine Zettelwand, die an allen Öffnungstagen von 15 bis 18 Uhr für Besucher*innen zugänglich ist und durch deren Anmerkungen, Fragen und Ideen ergänzt werden kann.

Im selben Zeitraum fertigt Einsele im LEW1 mittels verschiedener photogrammetrischer und laserbasierter 3D-Aufzeichnungsverfahren digitale Porträts von Besucher*innen an. Die entstehenden Punktwolken untersucht er auf ihre Lückenhaftigkeit und Fragmentiertheit.

Termine

  • 02. Juli (nicht öffentlich) Digital*Salon (Interne Diskussion mit internationalen Expert*innenen, aus Philosophie, Psychologie, Kunst und Ingenieurwissenschaften. Das Ergebnis wird in verschiedenen Formen publiziert.) “Face Matters. Why do we care so much about faces? This Digital*Salon will focus on why faces matter so much. It will approach this issue from the perspectives of history, psychology, robotics, philosophy and art. The aim is to integrate these different perspectives in an open dialogue with an international group of experts, in order to raise our awareness about the importance of faces at a time when we hide them more than ever, be it in ‘facing‘ other human beings or in ‘facing‘ digital technology.”
  • 05. Juli 2020, ab 18:30 Uhr Get-Together. Die Philosophin und der Künstler sind anwesend.
  • 04. September 2020, genaue Uhrzeit noch nicht festgelegt Publikationspräsention & Filmabend im LEW1. Die Philosophin und der Künstler sind anwesend.

Projektbeschreibung

Viele Debatten um Gesichtserkennung konzentrieren sich auf die rasant wachsenden technischen Möglichkeiten und die daraus entstehenden Probleme der Regulierung dieser Technologie. Unser heutiges Verständnis von Menschsein, Privatheit und Autonomie wird dabei meist als gegeben vorausgesetzt.

Das interdisziplinäre Projekt »Hiding Faces« nimmt die andere Seite, die kulturelle, anthropologische und damit auch ethische Dimension des Gesichts und damit des Zeigens und Verbergens des Gesichts in den Blick und kontextualisiert diese. Dabei ergänzen sich in den Ansätzen von Lukas Einsele und Maria Kronfeldner philosophische und künstlerische Komponenten, die unterschiedliche Blicke auf die einzelnen Stadien des Projekts zulassen.

Im Zentrum des Projekts und als Ausgangspunkt der Forschungskooperation stehen daher folgende Fragen: Was macht es mit uns und unserem Verständnis von Menschsein, Autonomie und Privatheit wenn wir immer mehr von automatischen bzw. autonomen Verfahren zur Gesichtserkennung und -aufzeichnung umgeben sind? Unter welchen Umständen und in welchem Maße beginnen wir, unser Gesicht zu verbergen – und welche historisch und kulturell gewachsenen Bedeutungsebenen verbergen sich hinter dem Begriff der »Verschleierung «?

Im Laufe des zweiwöchigen Research Retreats »Hiding Faces« verleiht die Philosophin Maria Kronfeldner vom 23. Juni 2020 bis 08. Juli 2020 im Atelierhaus LEW1 auf der Rosenhöhe dem Prozess des Forschens und Verstehens, dem Verlauf ihrer Studien und Reflexionen auf unterschiedliche Weise Form. Ein Kernelement stellt dabei die Bespielung einer der Atelierwände dar, auf dem die Philosophin in täglichem Rhythmus Zwischenergebnisse ihrer Recherchen, Gedanken und Kommentare als handschriftliche Notizen, Ausdrucke und Faksimiles aus Büchern graduell zu einer thematisch fokussierten Gedankenlandkarte neu zusammenfügt. Diese möchte jedoch nicht losgelöst für sich stehen, sondern als Anknüpfungspunkt für die Überlegungen der Besucher*innen des LEW1, der Homepage und Social Media Profile von »Kultur einer Digitalstadt« fungieren und den Diskurs zusätzlich in die digitale Sphäre verlagern. Es geht um einen kritischen Blick auf die verschiedenen Sinne, wie unsere Überzeugungen diese beeinflussen, und wie Gesichter zu uns sprechen. Das Ziel formuliert Kronfeldner auf einem ihrer Zettel wie folgt: “I wanna hear a face till I see its voice.”

Lukas Einsele setzt in seinem Arbeitsvorhaben verschiedene postfotografische Aufzeichnungstechnologien, wie die 3D-Aufzeichnungsverfahren Laserscanning und Fotogrammetrie, ein, um die Grenzen bei der digitalen Abbildung des menschlichen Gesichts zu erkunden. In Folge der Porträtierung der Besucher*innen des LEW1 mittels dieser Maschinen entstehen digitale Punktwolken der Gesichtsbilder, welche Einsele auf ihre Lückenhaftigkeit und Fragmentiertheit hin analysiert. Die Ergebnisse werden in Form von Videoprojektionen visualisiert. Das offensichtliche Fehlen von Information verdeutlicht dabei die Unzulänglichkeit jeglicher Beobachterposition im Allgemeinen und lässt einen über folgende Fragen neu reflektieren: Wie ist das Erkennen eines Gesichts möglich? Wie viel Wissen ist dafür erforderlich? Wo auf dem Gesicht befindet sich die Maske?

In Kollaboration mit dem Fachgebiet Marketing und Personalmanagement der TU Darmstadt wird die Androidin Elenoide – ein humanoider Roboter, der seit 2018 an der TU Darmstadt programmiert und entwickelt wird, mit dem Laserscanner porträtiert. Gespräche mit Elenoide umkreisen die Fragen: Wie nimmt ein Roboter Gesichter wahr? Wie reagieren wir auf das Gesicht des Roboters?

Weitere Formen der Visualisierung, wie kurze Filme, Projektionen und die Entwicklung von Textmaterial, sind im Konzept Einseles zu »Hiding Faces« ebenfalls vorgesehen, um eine dichte Erzählung aus neue erzeugten und bereits vorhandenen Quellen zu entwickeln.

Die beiden zeitgleich wachsenden und miteinander verschmelzenden Untersuchungen Kronfeldners und Einseles sind Ergebnis wie auch Grundlage eines »wilden«, das heißt offenen Denkens. Mit Fokus auf einen sehr langsamen, sich im Verlauf wiederholenden Prozess des Lesens, Schreibens und Teilens, unterstützt durch einen kontinuierlichen, interdisziplinären Diskurs, wird mit dem Projekt auch versucht, der sich zusehends beschleunigenden und sich verselbstständigenden Technologisierung zutiefst menschliche und damit auch verweilende, entschleunigende Aspekte gegenüber zu stellen.

Bild: Pexels © cottonbro 
Quelle: Kultur einer Digitalstadt e.V.
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