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Ist das Hanfverbot noch zeitgemäß?

Ist die Prohibition von Cannabis noch zeitgemäß?  

Die Cannabis-Debatte ist ein Thema, dass unter großen Unvereinbarkeiten leidet. Erst im November letzten Jahres wieder hat der Bundestag eine weitere Initiative der Linksfraktion abgelehnt, nicht-medizinisches Cannabis zu legalisieren. Die Mehrheit der Parlamentarier, bestehend aus großen Teilen der christlichen Fraktionen und der AfD, stimmte gegen den von den Grünen und Teilen der FDP begrüßten Vorstoß. In der SPD lässt sich eine Tendenz hin zur Cannabis-Legalisierung erkennen, aber aufgrund des Koalitionszwanges stimmten viele Abgeordnete gegen eine weitere Liberalisierung der Nutzpflanze Hanf (Cannabis).

Und so bleibt es auf absehbare Zeit weiter bei einer Regelung mit Zwittercharakter. Zwar ist der Konsum kleiner Mengen für den Eigenverbrauch erlaubt, verboten bleibt aber der Kauf, der Besitz und der Anbau. An der Beliebtheit der weichen Droge ändert das in der Regel nichts. So gibt der Deutsche Hanfverband doch für 2018 Zahlen bekannt, die sich auf ca. 4 Millionen Kiffer belaufen, wobei mit einer großen Dunkelziffer gerechnet wird. Weiterhin also müssen die beliebtesten Sorten in Deutschland aus dem Ausland importiert werden. 


In Portugal, Kanada, Uruguay und vielen US-amerikanischen Staaten ist Cannabis legalisiert!

Argumente pro und contra zur Legalisierung von Cannabis  

Letztendlich fokussiert sich die Diskussion immer auf die zentrale Frage, warum Alkohol und Tabak legal sind, Hanfprodukte aber dem Betäubungsmittelgesetz (BtGM) unterliegen. Beide Parteien arbeiten sich dabei regelmäßig an ihren Argumentationslinien ab, die da wären:
 
Pro Legalisierung Kontra Legalisierung
Eindämmung des Konsums schwerer Drogen durch Aufklärung. Legalisierung löst Drogenboom aus.
Cannabis hat nicht mehr Potenzial als Einstiegsdroge wie Tabak und Alkohol. Cannabis ist die Einstiegsdroge schlechthin 
Verbot minimiert den Konsum nicht, die Zahlen steigen kontinuierlich. Alkohol und Nikotin machen der Gesellschaft schon genug Probleme, eine weitere legale Droge ist unangebracht.
Alkohol führt im Vergleich zu deutlich aggressiveren Straftaten. Da Cannabis unkontrollierbare Effekte habe, würden mehr Straftaten verübt.
Das Verbot verhindert, dass die Menschen von den zahlreichen positiven Wirkungen der Hanfpflanze profitieren. Cannabis ist eine Spaßdroge, niemand braucht es wirklich.
Cannabis wird in Europa schon seit mehr als 3000 Jahren angebaut.  Hanf gehört nicht zur deutschen Kultur. 
Cannabis kann nur Psychosen auslösen, wenn die Person prädestiniert ist. Cannabis kann Psychosen verursachen.
Entkriminalisierung schmälert die Gewinne der Drogenmafia entscheidend. Staat darf nicht vor Kriminellen kapitulieren.
Die Prohibition bindet große Kräfte der Polizei, die sinnvoller eingesetzt werden könnten. Im Gesundheitssystem bedarf es bei einer Legalisierung weiterer Gelder.

Wer die Argumente näher beleuchtet, stellt sich die Frage, ob eine Legalisierung wirklich mit der Auslösung eines Drogenbooms einhergehe. Das ist eigentlich zu bezweifeln, wie man am Beispiel Hollands nachvollziehen kann. Dort hat die Liberalisierung in den 1980er-Jahren die chinesische Heroinmafia ausgetrocknet. Wenn behauptet wird, dass Cannabis unkontrollierbare Effekte auslöse, zeugt das eher von einer Unkenntnis des Sachverhalts. Letztendlich ist auch widerlegt, dass Hanf nicht zum mitteleuropäischen Kulturkreis gehört. Diese Aussage hat sogar rassistische Grundzüge. Es hilft, sich die Ursachen des Verbots zu vergegenwärtigen, dass dem Cannabis aus wirtschaftlichen Gründen auferlegt wurde. Der Schutz der Bevölkerung war damals ein untergeordnetes Thema.

Das Cannabisverbot und seine Geschichte  

Um nach den Ursachen des Cannabisverbotes zu forschen, gelangt man automatisch ins Amerika der 1930er-Jahre. Bis dahin war Hanf als Nutzpflanze in vielen Kulturen bekannt. Die Chinesen pressten gesunde und wohlschmeckende Öle aus den Samen und webten robuste Textilien aus den Fasern. In Indien fand die Pflanze früh Eingang in die Naturheilkunde Ayurveda und die Ägypter schafften mit großflächigem Anbau dort ein grünes Paradies, wo den Besucher heute nur heißer Wüstensand erwartet. In Europa waren die Wirkstoffe des Hanfs Hauptbestandteil vieler Medikamente, bis das Aspirin entdeckt wurde. Die psychoaktiven Nebenwirkungen wurden dabei gern in Kauf genommen. Und so bedurfte es des Zusammentreffens von wirtschaftlichen und politischen Interessen, um die kleine grüne Pflanze auf den Index vieler westlicher Staaten zu bringen. Diese Konstellation war in den Vereinigten Staaten zu angegebener Zeit gegeben. Bis heute müssen wir mit den Konsequenzen leben.

Vielfältige wirtschaftliche Interessen

So sahen die damals noch sehr mächtigen Baumwollpflanzer im Verbund mit der finanzstarken Holzindustrie ihre Pfründe bedroht. Neben hervorragenden Stoffen lässt sich aus Hanf nämlich auch hochwertiges Papier herstellen. Mit der aufkommenden Kunstfaserindustrie positionierte sich eine weitere Branche gegen den großflächigen Hanfanbau. Sie zitterte um die Absatzmärkte ihrer Nylonprodukte. Ins gleiche Horn blies die mächtige Pharmalobby, die in einem günstigen Naturheilmittel eine Gefahr für ihre patentierten und teuren Schmerzmittel sah. Am lautesten aber schrien die Vertreter der Erdölindustrie. Dachte doch Henry Ford, der dominierende Akteur der Detroiter Autofabrikanten, laut darüber nach, den Dieselmotor zu protegieren. Den Treibstoff dazu wollte er aus Hanf gewinnen, der auf riesigen Anbauflächen angepflanzt werden sollte. Wahrscheinlich hätte der Zusammenschluss dieser mächtigen Interessenbände allein nicht ausgereicht, um den Hanf so tiefgreifend zu kriminalisieren, wie es in den folgenden Jahren geschah. Dafür bedurfte es eines mächtigen Fürsprechers aus der Politik.

Der moderne Inquisitor

Diese Position wurde von der Person des Harry J. Anslinger ausgefüllt. Der Mann stand zur damaligen Zeit dem mächtigen Ministerium für Prohibition vor, dem das einflussreiche Federal Bureau of Narcotics (FBN) unterstand. Zu dieser Zeit neigte sich das 13 Jahre lang geltende Gesetz der Prohibition dem Ende zu. Hatte es doch alle gewünschten Ziele verfehlt. Zum einen litt die Bevölkerung unter dem gepanschten Schnaps. Der Schmuggel ließ die Kriminalitätsrate nach oben schnellen und in den Großstädten manifestierten sich die Gebietskonflikte der verschiedenen Mafiafamilien, die den Schmuggel als eine ihrer Hauptgeldquellen nutzten. Als 1933 das Prohibitionsgesetz fiel, stand Anslinger einer riesigen Behörde vor, die von heute auf morgen arbeitslos war. 

Schnell wurde mit dem psychoaktiven THC (Tetrahydrocannabinol) ein neues Feindbild auserkoren. Die Hanfpflanze gelangte auf den Index der verbotenen Substanzen. Doch damit nicht genug. Anslinger startete mithilfe des Zeitungsmoguls Randolph Hearst eine verleumderische Werbekampagne, wie sie eines Donald Trumps würdig gewesen wäre.


Konservative Hanfpolitik hat sich noch einmal durchgesetzt!

Zahlreiche Horrorgeschichten über Cannabiskonsumenten wurden mithilfe der Zeitungen des Medienmoguls in die Köpfe der puritanischen amerikanischen Bevölkerung gepflanzt. Diese zeitigten oft rassistische Hintergründe. So sei Cannabis eine Droge der Mexikaner und Afroamerikaner, die im Rausch von sexuellen Fantasien zu den brutalsten Verbrechen fähig seien.

1947 hatte Anslinger die Chance, seine Politik auf internationales Niveau zu heben. Er wurde in die Drogenkommission der Vereinten Nationen berufen und beeinflusste die Drogenpolitik somit weltweit. Den Gipfel seines Schaffens erreichte Anslinger 1961. Unter seiner Ägide wurde das Einheitsabkommen über Betäubungsmittel verfasst. Dieses ist bis heute das Leitpapier der Drogenpolitik der UN.  

Situation in Deutschland

Anbetracht der Ursachen des Verbots, die ausdrücklich nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Gesundheit der Bevölkerung beruhen, erscheint die deutsche Politik hochgradig opportunistisch. Seit März 2017 ist Cannabis nämlich auf Rezept zugelassen und seit 2019 darf Hanf unter staatlicher Aufsicht für medizinische Zwecke angebaut werden. Die nachweislich positiven Wirkungen auf den menschlichen Organismus werden also anerkannt und akzeptiert. Dieses Vorgehen entwertet die überholten Argumente der Parlamentarier, die letzten November gegen eine Liberalisierung stimmten, nachhaltig. Es bleibt die Hoffnung auf die Bundestagswahl im September 2021