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Stadtleben? Besser nicht! Das hält viele Leute wirklich davon ab, in eine große Stadt zu ziehen

Stadt Bild Stadtleben ist nicht für jedermann das richtige Foto: © unsplash.com © Sebastian Herrmann

Für manche Menschen, eigentlich sogar eine Majorität, ist eine Stadt ein regelrechter Sehnsuchtsort. Das sieht man vor allem in der seit Jahrzehnten immer nur ansteigenden Urbanisierung hierzulande. Doch wo viel Licht ist, da ist bekanntlich Schatten niemals weit entfernt. Das dürften vielleicht einige Leser dieser Zeilen aus dem eigenen Umfeld kennen. Menschen, die sich niemals vorstellen könnten, in die Stadt zu ziehen (egal ob nun echte Dorfbewohner oder bloß Vorstädter) oder Personen, die – mitunter nach Jahrzehnten City Life – der Stadt den Rücken kehren wollen. Gerade für echte Stadt-Fans sind die Beweggründe solcher Menschen manchmal nebulös bis völlig unbegreiflich. Auf den folgenden Zeilen haben wir versucht, Licht ins Dunkel zu bringen und die wichtigsten Gründe dafür aufzuzählen, warum Menschen nicht in die Stadt wollen oder sie wieder verlassen.

Hinweis: Im Folgenden sprechen wir primär von Großstädten und Metropolen. Zudem ist die Reihenfolge der aufgeführten Punkte nicht als Wertung oder Hitliste zu verstehen.

1. Einfach zu viele Menschen

Jede Stadt hat ihre ruhigen Ecken. Für die meisten Einwohner läuft ein Leben hier jedoch darauf hinaus, mit meist über tausend Menschen pro Quadratkilometer zusammenzuleben. Werfen wir dazu einen Blick auf die Bevölkerungsdichte einiger Großstädte pro Quadratkilometer (Erste Zahl: Platz im Ranking nach Gesamt-Einwohnern, alle Werte für 2023) ·      
1:        Berlin, 4.244 Einwohner/km² ·      
2:        Hamburg, 2.530 ·      
6:        Stuttgart, 3.055 ·      
17:      Wuppertal, 2.132 ·      
36:      Lübeck, 1.023 ·      
48:      Osnabrück, 1.394 ·      
62:      Pforzheim, 1.316 ·      
78:      Hanau, 1.345

Selbst wenn es beispielsweise Städte wie Cottbus (604), Hamm (798) oder Erfurt (799) gibt, so sind doch zumindest die Top-36 aller Großstädte Kommunen mit mehr als 1.000 Menschen pro Quadratkilometer. Selbst nach Rang 36 gibt es noch mehr davon als solche mit nur dreistelliger Bevölkerungsdichte.

Diese schiere Menge an Menschen, die zudem alle auf engstem Raum zusammenleben, kann nicht nur ausgesprochen Introvertierten einfach zu viel sein. Zudem sind viele Wohngebiete eher anonym. Es entsteht also kein gemeinschaftliches „Kiez-Feeling“, sondern eher ein Gefühl von Entfremdung und Anonymität.

2. Der Verkehr

Ein großer Vorteil von Städten mögen die kurzen Wege sein. Sobald es aber fußläufig nicht mehr geht, empfinden verschiedene Personen das, was nun ansteht, als regelrechten K(r)ampf. Eine logische Folge: Städte sind nicht nur Heimat vieler Menschen, sondern ebenso wirtschaftliche Zentren. Entsprechend enorm ist das Verkehrsaufkommen zwangsläufig – wobei vieles sich schlichtweg kaum praxistauglich mit ÖPNV und Fahrrädern abwickeln lässt.

Natürlich, alle Städte betreiben einen enormen Aufwand, um Verkehr zu entzerren, neue Lösungswege zu finden und die Herausforderung auf andere Weisen zu beseitigen. Allein, was hier in Sachen infrastrukturelle Radweggestaltung theoretisch möglich und praktisch getan wird, sind unter den gegebenen Bedingungen nicht weniger als planerische Meisterleistungen.

Bloß: Das alles kann die Verkehrsdichte nur reduzieren, jedoch kaum realistisch auf „Dorfniveau“ bringen. Dazu gibt es in der Stadt schlichtweg zu viele Menschen und Güter von A nach B zu bewegen.

Diese Verkehrsflut schreckt nicht nur an sich viele Menschen ab. Ebenso tut es der damit einhergehende Lärm. Ebenfalls ein Grundproblem. Bei halbwegs modernen PKW kann das Abrollgeräusch der Reifen bereits ab lediglich 15, 20 km/h das Motorgeräusch übertönen; das betrifft also auch Elektroautos und zähfließenden Stadtverkehr.

3. Die hohen Kosten

Wo so viele Menschen sind, da ist die Nachfrage nach allen möglichen Dingen dementsprechend hoch. Der Rest sind simple marktwirtschaftliche Prinzipien. Tenor: Die allgemeinen Preise in den Städten sind praktisch durch die Bank weg höher als außerhalb. Das beginnt – natürlich – ganz oben bei den Mieten und Immobilienpreisen und zieht sich bis hinab zum Kaltgetränk in der Eckkneipe. Wohl zahlen urbane Arbeitgeber häufig besser. In der Realität führt das jedoch eher zu einer nach oben weisenden Preisspirale. Das heißt nicht automatisch, der ländliche Raum sei generell günstiger. Abseits von sehr nachgefragten Wohngegenden ist er das aber in der Tat vielerorts.

4. Der vielfach vorhandene Schmutz

Zugegeben, es gibt Großstädte, die in fast allen Bezirken wie „aus dem Ei gepellt“ wirken. Doch von der omnipräsenten Luftverschmutzung bis hinab zu Schmierereien, mutwilliger Zerstörung und überquellenden Mülleimern haben die meisten Städte ein mehr oder weniger großes Schmutzproblem. Nicht überall mag es so zugehen wie im diesbezüglich besonders oft kritisierten Berlin. Doch gerade wer ländliche Bereiche kennt, für den ist die Diskrepanz manchmal über-offensichtlich. Erneut heißt das nicht, alle Dörfer seien stets picobello. Allerdings gibt es hier zumindest nicht solche Mengen an Verschmutzung, Vandalismus und ähnlichen Dingen. Zuvorderst (und einmal mehr), weil hier nicht so viele Menschen leben.

5. Kein Bedarf am urbanen Angebot


Wer die Großstadt liebt, der tut das wahrscheinlich (auch) deshalb, weil man sich hier vor Angeboten teilweise kaum retten kann.
  • Geschäfte für alle möglichen Dinge en Masse,
  • genug Kulinarik, um jeden Tag etwas Neues zu probieren,
  • unzählige Bars und Clubs,
  • ein riesiges kulturelles Angebot zwischen Underground-Comedy-Bühne und Oper.

Die Gretchenfrage dabei lautet jedoch: Was tut jemand, für den all das keine Rolle spielt? Ein Mensch, der auf Nightlife keinen großen Wert legt und dem es genügt, alle paar Wochen Kultur vor Ort zu erleben – wenn überhaupt? Das müssen beileibe keine „Stubenhocker“ sein. Es genügt einfach, wenn die persönlichen Steckenpferde auf einer Weide stehen, die es in einer Großstadt kaum gibt. Denken wir etwa an einen Heimwerker. Wie soll er sich in einer Stadt wohlfühlen, wenn aufgrund der Mieten nicht einmal eine winzige Heimwerkstatt möglich wäre?
Oder der leidenschaftliche Tourenradler, der in Ruhe durch die Natur strampeln möchte, anstatt durch urbane Häuserschluchten. Das Angebot in Städten mag zwar enorm sein. Jedoch ist es definitiv nicht für jeden Charakter von entscheidendem Interesse – oder zumindest nicht so sehr, dass es ausreichend wäre, ihn zu einem Umzug in die Stadt zu bewegen.

6. Wünsche nach einem Eigenheim

Städte bestehen nicht nur aus Mietwohnungen und anderen Mehrparteiengebäuden. Allerdings sind sie dennoch aus Sicht vieler Einfamilienhausfans nicht zwingend Sehnsuchtsorte. Abermals ganz besonders aufgrund der Immobilienpreise. Zudem ebenso aufgrund der allgemeinen Immobiliensituation, die wiederum eine zwangsläufige Folge des zutiefst urbanen Charakters ist.

Es ist schon in sehr vielen städtischen „Speckgürteln“ reichlich schwierig geworden, Einfamilienhäuser zu finden, die nicht auf geradezu winzigen Grundstücken stehen. Ein Haus mit mehr Platz ringsherum, mit einem Garten, der mehr ermöglicht als nur eine Liege aufzustellen – und das zu Preisen, die man sich als Normalverdiener zumindest noch halbwegs leisten kann? Diese Kombination ist nirgendwo schwieriger zu finden als in der Stadt. Gleichsam ist das berühmte „etwas ländliche Häuschen mit Garten“ für eine vielleicht überraschend große Mehrheit der Deutschen ein Sehnsuchtswunsch.  

7. Der Wunsch nach Ruhe

Egal zu welcher Uhrzeit, egal in welchem Bezirk: In Großstädten ist es fast niemals möglich, den Kopf aus dem Fenster zu stecken und einfach nur praktisch nichts zu hören – außer vielleicht Blätterrauschen und Vogelgezwitscher. Im Mindestmaß wird der dichte Verkehr durch sein omnipräsentes Rauschen zu vernehmen sein. Dazu vielleicht Fluglärm oder eine der vielen anderen Geräuschemissionen, die nahezu unvermeidlich sind, wenn so viele Menschen auf so wenig Fläche zusammenleben.

Dass Lärm krank macht, selbst wenn er nicht brutal laut ist, ist seit längerer Zeit eine unbestrittene wissenschaftliche Tatsache. Ebenso Tatsache ist es, dass Städte die tendenziell lauteste Umgebung sind, in der Menschen wohnen – Ausnahmen wie Dörfer in Einflugschneisen oder Industriegebiete einmal außenvor.

Verschiedenen Erhebungen zufolge ist das jedoch weniger ein Grund, der Menschen vom Zuzug in eine Stadt abhält. Vielmehr ist der Lärm eher ein wichtiger Motivator, der Leute dazu bringt, aus der Stadt wegzuziehen.

8. Der Wunsch nach Natur

Eine weitere wissenschaftlich gutbelegte Tatsache: Je grüner eine Stadt ist, desto lebenswerter wird sie meistens empfunden. Das Problem ist jedoch, wirklich grüne Städte sind eher rar und können sogar zum Opfer ihres eigenen Erfolgs werden. Umgekehrt ist es eine gigantische Anstrengung, eine Stadt grüner zu machen. Zudem funktioniert das oftmals nicht ohne negative Auswirkungen auf die Bevölkerungszahl.

Anders formuliert: In einer Zeit, in der viele Städte aufgrund des Zuzugs und des Wohnungsmangels vor allem nach Möglichkeiten der Nachverdichtung suchen, hat eine gleichzeitig verstärkte Begrünung oft den Charakter einer Quadratur des Kreises. Zumal selbst eine sehr grüne Stadt niemals so naturnah werden kann wie ein Dorf mitten auf dem Land. Ergo: Wer beispielsweise morgens aus dem Schlafzimmerfenster nur Felder, Wälder, Wiesen und/oder Auen sehen möchte, der ist in aller Regel kein Kandidat für das Stadtleben.