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Dortmund

Benjamin Lackner Quartett feat. Manu Katché, Matthias Eick, Jérôme Regard

Datum: Samstag, 14.01.2023 Location: domicil Ort: 44137 Dortmund Straße: Hansastr. 7 - 11
Warum wird überhaupt noch Musik gemacht und auf Alben veröffentlicht? Wieso gelingt es mit dem immer selben, äußerst überschaubaren Vorrat an Tönen auch nach Jahrhunderten noch, Dinge auszudrücken, die so noch nie gesagt wurden? Weil jede dieser Melodien, Konzepte oder Konstellationen absolut neu wäre? Oder liegt es vielleicht eher daran, dass einige wenige auserwählte Musikerpersönlichkeiten in geradezu magischer Vorausschau genau den Ton treffen, der sich zum Zeitpunkt der Veröffentlichung mit einem allgemeinen Bedürfnis synchronisiert und eine Gefühlslage oder Hoffnung zum Ausdruck bringt, die mit Worten nur sehr unzutreffend eingefangen werden könnte.

Ein solcher Musiker ist der in Berlin lebende Klangphilosoph Benjamin Lackner, der mit seiner in der Unendlichkeit ruhenden Momentaufnahme „Last Decade“ einen Kontrapunkt zu jener Temposucht geschaffen hat, die uns in immer kürzeren Intervallen immer mehr Informationen aufzwingt. War das seine Absicht? Wohl kaum. Ist es ein Zufall? Noch viel weniger. Jedwede Hierarchie der Klänge außer Acht lassend jedem einzelnen Ton Bedeutung beizumessen, ist einfach die Art und Weise, die holistische Tiefgründigkeit und Ernsthaftigkeit, ja auch die unerschütterliche Zuverlässigkeit, mit welcher der Pianist seine Musik umsetzt.[nbsp]

Wenn man das Zusammenspiel von Lackner mit dem norwegischen Trompeter Mathias Eick sowie den beiden Franzosen Jérôme Regard am Bass und Manu Katché am Schlagzeug hört, werden Erinnerungen wach. Erinnerungen an den Sound einer Zeit, die aus der Retrospektive als eine bessere erscheinen mag. Dieser Eindruck ist trügerisch, denn auch wenn sich Lackner von seiner Erinnerung weder frei machen will noch kann, unterscheidet sich sein Impuls, diese Musik zu spielen, doch gar nicht von jener der Protagonisten aus der Vergangenheit. „Last Decade“ ist ein Fenster in die Gegenwart, in der die Reminiszenzen der Erinnerung freilich hör- und spürbar sind. Ohne irgendjemanden zu kopieren, schließen Lackner und die Mitglieder seiner Band an eine verloren geglaubte Ästhetik an und transportieren ihre Vorstellung einer imaginären Vergangenheit souverän in die Zukunft. Was zuweilen wie eine Hommage klingt, ist letztlich eine selbstbewusste Standortbestimmung.
Vorgemerkt
Unterhaltung