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Berlin

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Millionen Nachbarn und dennoch allein

Berlin und die Einsamkeit

Die Menschen ziehen in Großstädte, sind digital vernetzt, immer unterwegs und trotz allem einsam. Immer mehr bleiben Single und immer mehr werden immer älter. Einsamkeit hat sich zum Problem in unserer sonst so optimierten Gesellschaft entwickelt. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Obwohl es theoretisch genügend Menschen gibt, mit denen man sich treffen könnte, fühlen sich besonders Großstädter einsam und allein.
Die Einsamkeit nimmt zu, selbst in Metropolen mit Millionen Einwohnern. Bildquelle: Syda Productions - 307340333 / Shutterstock.com

Mit über 3,5 Millionen Bewohnern und jährlich mindesten zwölf Millionen Besuchern ist Berlin die größte und lebhafteste Metropole Deutschlands. Und doch gibt es ausgerechnet in der Hauptstadt besonders viele Menschen, die sich einsam fühlen. Häufig sind das Menschen, die allein leben. Die Anzahl an Singles steigt konstant, vor allem immer mehr Männer bleiben scheinbar lieber allein, als sich einer Partnerschaft zu fügen.

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Infografik: Die lebhafteste Metropole Deutschlands. Infografikquelle: stadtleben.de

Alleinsein ist nichts Schlechts und oftmals bewusst gewählt. Allein in den Urlaub zu fahren ist für viele Erholung pur und deshalb erstrebenswert. Manche wählen dies gleich als Lebensmodell und wollen sich auf diese Weise ausleben, ohne Kompromisse machen zu müssen. Was vielleicht egoistisch klingt, ist vollkommen in Ordnung, solange man sich damit gut fühlt. Wird das Alleinsein jedoch zur Qual, die einem signalisiert, dass der Kontakt zu Mitmenschen zu gering ist, wird daraus Einsamkeit.

Mehr Freunde bei Facebook als in der Realität

Obwohl wir in einer digitalen Kommunikationsgesellschaft leben, in der jeder hunderte Facebook-Freunde hat und ständig irgendwelche Kurznachrichten aufs Smartphone bekommt, fühlen sich die Menschen zunehmend einsam. Waren es früher vor allem ältere Menschen, die mit der Einsamkeit zu kämpfen hatten, weil das gleichaltrige soziale Umfeld mit der Zeit einfach weggestorben ist, zieht sich die Einsamkeit heute durch alle Bevölkerungsschichten, ganz gleich welchen Alters.

Vielfach sind heute auch Bevölkerungsschichten von Einsamkeit betroffen, denen man dieses Problem nicht ohne weiteres unterstellen würde. Junge und gut ausgebildete Akademiker und Fachkräfte, denen die Karriere wichtiger ist als eine Familie, arbeiten bis zu 14 Stunden am Tag. Das sorgt für ein volles Bankkonto und Anerkennung in der Firma, aber ein Partner möchte sich darauf selten einlassen. Auch für Freunde bleibt keine Zeit, der Freundeskreis schwindet.

Eine Branche, die wie ein Seismograf der Einsamkeit ist und von ihr profitiert, ist das Escort-Gewerbe. Wer niemanden Daheim hat, der auf ihn wartet oder nach einem anstrengenden Arbeitstag einfach keine Lust auf Anbahnungsversuche hat, der lässt sein Bedürfnis nach Zweisamkeit von professionellen Dienstleistern stillen, die nicht viele Fragen stellen. Gerade in Großstädten wie Berlin ist das Angebot groß und die Anonymität bleibt gewahrt.

Männer sind häufiger einsam als Frauen

Der Geschäftsführer von Escort 77, einem bekannten Escort-Service in Berlin, kann sich über Kundschaft nicht beklagen. Seine Callgirls, die Haus- und Hotelbesuche in der Hauptstadt abstatten, sind gefragt wie selten. Auch wenn sie die Einsamkeit der Männer nur für ein paar Stunden durchbrechen können. Dabei geht es nicht immer nur um Sexualität. Wie einsam viele Männer sind, zeigt sich besonders dadurch, dass Escort-Damen ebenso häufig für Unternehmungen gebucht werden, die mit Sex rein gar nichts zu tun haben. Viele Männer wollen einfach nur reden, bei einem schönen Abendessen beispielsweise.

In der Tat sind Männer häufiger von Einsamkeit betroffen als Frauen. Auch Singles fühlen sich eher einsam als Menschen, die in einer Beziehung leben. Aber auch eine Partnerschaft ist keine Garantie, nicht an Einsamkeit zu leiden. Das wird vor allem deutlich, wenn man emotionale und soziale Einsamkeit unterscheidet.

Es gibt Menschen, überwiegend Frauen, die sind seit Jahren mit ihrem Partner verheiratet, leben mit ihm unter einem Dach und fühlen sich dennoch einsam. Das ist dann der Fall, wenn man sich auseinandergelebt hat, sich nicht mehr füreinander interessiert, kein Sexualleben mehr hat. Solche Paare leben nur noch in einer Zweckbeziehung und leiden unter emotionaler Einsamkeit. Ältere Menschen, die kaum mehr jemanden haben und aus gesundheitlichen Gründen nur noch selten das Haus verlassen können, leiden hingegen unter sozialer Einsamkeit.

Einsamkeit macht krank

Soziale Einsamkeit kann besonders schmerzhaft sein, dann nämlich, wenn sie bewusst erfolgt. Wenn man am Arbeitsplatz zwar von unzähligen Kollegen umgeben ist, diese einen aber schneiden. Wenn man nicht in Freizeitgespräche eingebunden wird. Wenn man in der Kantine allein zu Mittag essen muss und die Kollegen einen nicht zum Feierabendbier mitnehmen. Kommen zu der Ignoranz dann auch noch bewusst verletzende Handlungen, spricht man von Mobbing. Einer besonders schlimmen Form der zumindest partiellen Einsamkeit.

So global und vernetzt wir im 21. Jahrhundert auch sind, die Einsamkeit unter den Menschen wird immer größer. Vorbei die Zeiten, als es noch Großfamilien gab, in den sich jeder um jeden kümmerte. In denen sich Nachbarn noch füreinander interessierten. In denen jeder heiratete und Kinder bekam. Die Auswirkungen dieses neuen Lebensstils werden wir in den kommenden Jahren erst noch zu spüren bekommen. Denn was machen Alte und Kranke, die nicht mehr wie selbstverständlich von der Familie und von Freunden gepflegt werden? Sie alle zu betreuen kann unser Sozialsystem kaum verkraften.

Dabei ist Einsamkeit ein Teufelskreis. Denn wer darunter leidet, der wird nachweislich eher krank und stirbt früher. Wer also merkt, dass er zunehmend isoliert ist von der sozialen Welt, der sollte versuchen, so schnell wie möglich gegenzusteuern. Immer mehr Einsame heißt schließlich auch, dass es immer mehr Menschen gibt, die neue Kontakte knüpfen wollen um der Einsamkeitsfalle zu entfliehen. Und gerade in einer pulsierenden Metropole wie Berlin, die zahlreiche Sehenswürdigkeiten und Attraktionen sowie ein reichhaltiges Kulturprogramm bietet, sollte dies doch kein Problem sein. Bei Facebook beispielsweise gibt es immer mehr Sozialgruppen, in denen man Menschen aus seiner Region kennenlernen kann. So lange es nicht beim digitalen Kennenlernen bleibt, ist das eine feine Sache!

Bildquelle: Syda Productions - 307340333 / Shutterstock.com
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