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Prenzlauerberginale
Jörg Foth und Thomas Plenert Foto: © Helga Paris
Die Prenzlauerberginale geht bereits in das siebente Jahr. Und dennoch haben Sie einige Filme im aktuellen Programm mit Sicherheit noch nie gesehen. Nirgendwo.
Da ist das Filmmaterial der Staatlichen Filmdokumentation (SFD), mit dem die DDR den Alltag propagandafrei darstellen wollte: Ein Schornsteinfeger berichtet von seiner Tour auf den Dächern der Stadt, Müllmänner ärgern sich über Beschimpfungen an Häuserwände, ein Tramfahrer lästert über die neue Tatra-Bahn und Bewohner von katastrophalen Altbauwohnungen können ihren Ärger kaum verbergen.Mussten sie aber auch gar nicht, wanderten die Filme doch sofort ins Staatliche Film-Archiv, kein gemeiner DDR-Bürger bekam das Material je zu sehen.
Seit einigen Jahren schlummern die 302 Filme der SFD digitalisiert im Bundesarchiv. Wir haben für jeden der vier Abende einen halbstündigen Zusammenschnitt erstellt.
Auch der Hauptfilm des zweiten Abends, der Prenzlauer Berg Walzer, kann nur als Rarität bezeichnet werden. Regisseur Jörg Foth und sein Kameramann Thomas Plenert beginnen mit den Filmaufnahmen für ihre Langzeitdokumentation am Tag der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 zwischen Prenzlauer Allee und Greifswalder Straße. Über drei Jahre begleiten sie Bewohner im Kiez, unter anderem die berühmte Fotografin Helga Paris. Entstanden ist ein spannendes Zeitdokument aus einer Zwischenzeit, die heute längst vergangen ist.
Der Film ist ein einziges Mal im ZDF gelaufen, am 4. Oktober 1994 um 23.50 Uhr (!). Es könnte also sein, dass Sie das dreißig Jahre alte Schätzchen noch nicht kennen.
Ansonsten sind wir so frei und stellen eine Gruppe in den Mittelpunkt des Eröffnungsabends, die ansonsten nur wenig Beachtung findet: Alte Leute.
Das Rentnerpaar Schinke zieht von der Kuglerstraße ins Feierabendheim, die Zweifel ziehen mit, ob das eine gute Entscheidung ist. In der Einrichtung wird der 40. Geburtstag der Republik gefeiert, ansonsten beherrschen Eintönigkeit und Routinen den Alltag der Bewohner: Unsere alten Tage ist ein Blick in eine andere Welt.
Der Abschlussfilm der Filmreihe, Der letzte Mieter, ist ein Gentrifizierungs-Thriller der sehr speziellen Art, läuft dieser Prozess doch normalerweise ruhig und gesittet ab. Flankiert von Maßlosigkeit auf der einen, Zukunftsangst auf der anderen Seite, eskaliert die Situation im Film völlig, wehrt sich der Mieter mal nicht nur vor dem Amtsgericht. Es wird wild und blutig auf der Choriner Straße.
Und, endlich, zeigen wir auch Berlin um die Ecke von Gerhard Klein und Wolfgang Kohlhaase. 1965 schon im Rohschnitt verboten - zeigt er doch die Jugend der DDR, wie sie gar nicht sein sollte - ist der Film erst 1990 fertiggestellt worden.
Am selben Abend zeigen wir auch Ausschnitte von Prenzlauer-Berg-Filmen, die wir in Gänze niemals zeigen würden, sei es, weil sie nicht schön gemacht sind, Prenzlauer Berg lediglich in kleinsten Dosen beinhalten oder den Kiez nur als austauschbare Kulisse nutzen. Filmwissenschaftler Torsten E. Gareis präsentiert eine launige Zusammenstellung.


